Der Inhalt

Geleitwort

Verena Kast

Einleitung der Herausgeber

Wolf Müller, Ulrike Scheuermann

Auf Krisenintervention zugehen

H. Keupp: Die Normalität der Krise oder die Krise der Normalität - Krisenpotenziale im globalisierten Netzwerkkapitalismus

U. Scheuermann: Wege in die Öffentlichkeit - Kommunikationsstrategien für Einrichtungen der Krisenhilfe

W. Müller: Theorie für die Praxis - Vom fraglichen Nutzen der Krisenmodelle

Krisenhelfer weiterbilden

M. Rupp: Was hilft den Krisenhelfern? - Notfall- und Krisenintervention auf dem Weg zu professionellen Standards

T. Giernalczyk, H. Doll: Fortbildung für KrisenhelferInnen - Ein Leitfaden für SeminarleiterInnen

U. Scheuermann, I. Schürmann: Vielfalt nutzen - Diversity in der Weiterbildung für Einrichtungen der Krisenintervention

Mit den Nutzern arbeiten

W. Müller: Du siehst was, was ich nicht seh ... und das bin ich - Krisenintervention im Familien- und Helfersystem

M. Bruns: Mit und ohne Bett - Klienten zwischen stationärer und ambulanter Krisenintervention

I. Eichenbrenner: Freischwinger oder Wartebank? - Klienten zwischen Sozialpsychiatrischem Dienst und Krisendienst

I. Hölling: Krisenintervention - (k)ein Angebot für Psychiatrie-Betroffene? - Krisenintervention aus antipsychiatrischer Sicht

R. Peukert: Leidenschaftlich gefordert, selten erreicht - Krisenhilfe aus Sicht der Angehörigen

S. Behnsen: Krise? Welche Krise?! - Der ganz normale Wahnsinn im Alltag chronisch psychisch kranker Wohnungsloser

C. Escalera: Eine Krise, die viele Krisen entstehen lässt - Krisenintervention und geistige Behinderung

E. Reichelt: »Fremd ist der Fremde nur in der Fremde« - Krisenintervention bei Migranten und Flüchtlingen

S. Meurer: »Wenn ich das machen würde ... wäre ich ja wirklich tot.« - Krisenintervention bei Kindern und Jugendlichen

B. Brückner: »Alter schützt vor Torheit nicht!« - Alterskrisen als Aufgabe der Krisenintervention

M. Witte: »Männer haben’s schwer, nehmen’s leicht« - Suizidrisikogruppe Männer erreichen und mit ihnen arbeiten

Bei Gewalt und Trauma helfen

G. Schmidt: »Den Albtraum beenden ...« - Krisenintervention nach Traumatisierung - ein Überblick

R. Fartacek, A. Nindl: Wie können wir helfen, wenn es niemanden zu retten gibt? Die Katastrophe von Kaprun - Krisenintervention mit Hinterbliebenen und Überlegungen zu Konzepten normaler und traumatischer Trauer

M. Rupp: Umgang mit gewalttätigen Patienten - Prinzipien der Deeskalation

M. Krüsmann: Welche Hilfe brauchen Helfer? - Prävention im Einsatzwesen

Online beraten

A. Wimmer: 24 Stunden Hilfe auf einen Klick - Psychosoziale Beratung über das Internet

P. Risau: Gut beraten im Internet? - Chancen und Grenzen der Online-beratung von Opfern sexualisierter Gewalt

G. Storchmann: »Das Netz fängt auf - Krisenberatung online« - Onlineberatung von suizidgefährdeten jungen Menschen


Zurecht finden

Kriseneinrichtungen

Die Autorinnen und Autoren

Einleitung

Praxis Krisenintervention, diese Kurzformel scheint uns am besten geeignet, unser Anliegen auf den Punkt zu bringen: Wir, die Herausgeber und die Mehrzahl der Autoren kommen aus der Praxis und schreiben für die Praxis; wenn man so will, schreiben wir auch "gegenseitig füreinander". Die Tatsache, dass zunehmende Spezialisierung mit einer Ausdifferenzierung der Tätigkeitsfelder einhergeht - und umgekehrt - war für uns ein Ansporn, das gegenwärtige Spektrum der Krisenintervention zu sichten und in einem Handbuch zusammen zu tragen. Die 24 Autorinnen und Autoren in diesem Band beschreiben denn auch mehr als 15 unterschiedliche Anwendungsfelder von Krisenintervention. Dementsprechend ist auch das Spektrum der Berufsgruppen, die wir mit diesem Buch ansprechen möchten, breit aufgefächert: Unter helfenden Berufen verstehen wir einerseits Ärzte, Psychologen, Sozialarbeiter und Pflegekräfte in der psychosozialen Versorgung, in ähnlicher Weise sind es aber auch Betreuer nach dem Betreuungsgesetz und Fachkräfte innerhalb der Feuerwehr, der Polizei und anderer Rettungsdienste, die mit Krisen alltäglich oder gelegentlich zu tun haben. Viele Kolleginnen und Kollegen haben schon über spezifische Krisen und Aspekte der Krisenintervention geschrieben. Andere haben bereits die Dynamiken von Krisen erarbeitet sowie Grundlagen zur Intervention zusammengetragen. Der Weg, den wir mit diesem Buch beschreiten möchten, führt von den Schemata weg hin zu den konkreten Einsatzgebieten, wo und mit wem heute Krisenintervention geleistet wird. Dort finden sich die Helfer oftmals in ihrem Improvisationstalent gefordert, wünschen sich aber zugleich eine klareren Handlungsleitfaden und die Reflexion ihres Tuns. Viele Praktiker im psychosozialen Bereich haben daher ein großes Interesse an Fortbildung durch Seminare und Buchlektüre. Damit wurde uns eine Lücke in den Bücherregalen bewusst, die wir mit dem vorliegenden Band ein wenig schmaler werden lassen wollen. Uns erscheint die Orientierung an den Praxisfeldern eine zu sein, die sowohl dem "Neuling" als auch dem "alten Hasen" ermöglicht, die bisherigen Kenntnisse über Krisenintervention zu überprüfen und zu erweitern. Keiner kann in allen Bereichen der Krisenintervention gleichermaßen fit sein. Wenn dann im eigenen Arbeitsumfeld eine Krise umsichtiges Handeln verlangt, deren Umstände hier praxisnah beschrieben werden, so ist es der Anspruch eines Handbuchs eine erste Orientierung zu ermöglichen. Dieses Buch will, dass Praktisch Tätige es "zur Hand nehmen", dann "die Sache in die Hand nehmen", vielleicht gelegentlich sogar einen Klienten "an die Hand nehmen" (ihn aber auch rechtzeitig wieder loslassen!) und dass wir über dieses Arbeiten mit den Nutzern nachlesen und reflektieren können.

Auf Krisenintervention zugehen

Bevor wir uns ausführlich der konkreten Praxis zuwenden, erscheint es ratsam den Blick über den Tellerrand zu werfen und über die gesellschaftlichen Bedingungen nachzudenken, die unser Alltagshandeln bestimmen. Gesellschaftliche Entwicklungen spiegeln sich im sozialen Leben der Menschen wider - seien dies die Verschiebungen in der Altersverteilung der Bevölkerung, die doppelt so hohe Suizidrate bei Männern im Vergleich mit Frauen, die unzähligen Chatforen zu allen Themen seelischer Krisen oder das wachsende Bewusstsein für die psychologische Nachsorge traumatisierter Menschen. Krisenintervention, die flexibel und niedrigschwellig sein will, muss darauf reagieren, denn die Krisen des einzelnen sind immer auch Abbild gesellschaftlicher Entwicklungen: die Krise eines bosnischen Kriegsflüchtlings wird sowohl von seinen Erfahrungen während des Bürgerkriegs als auch von den gegenwärtigen Lebensbedingungen in Deutschland mitbestimmt. Wir begreifen in diesem Sinn das Etablieren von Krisenintervention auch als ein gesellschaftliches Phänomen, auf die zunehmende Krisenhaftigkeit des Lebens zu reagieren. Da unser Bemühen in den "Niederungen der Praxis" notwendigerweise den Blick verengt, haben wir an dieser Stelle die Wissenschaft befragt, die genannten gesellschaftlichen Entwicklungen angemessen auf den Begriff bringen. Der Beitrag des Sozialpsychologen Heiner Keupp untersucht im ersten Kapitel die Krise der Normalität, aber auch die Normalität der Krise. Das, was wir als unsere Identität verstehen, ist dem gesellschaftlichen Wandel unterworfen, der dem einzelnen Menschen beständige Anpassungsleistungen abverlangt. Wer nicht mithalten kann, gerät leicht in eine Krise. Wie die Arbeit und die Angebote der Krisenintervention überhaupt in der Öffentlichkeit kommuniziert werden können, ist Thema von Ulrike Scheuermanns Beitrag. Wie können die Menschen, die Krisenhilfe am dringendsten benötigen, tatsächlich erreicht werden? Und wie informiert man über Krisenintervention? Mitarbeitern soll eine Orientierung an die Hand gegeben werden, wie Öffentlichkeitsarbeit speziell für Einrichtungen der Krisenhilfe geplant und umgesetzt werden kann. Wolf Müller sichtet den theoretischen Stand der Krisenintervention und schlägt die Brücke zur praktischen und konkreten Interventionsarbeit. Er zeigt, wie sich der theoretische Diskurs zum Thema Krisenintervention entwickelt hat und überlegt, welche Konzepte sich gewinnbringend umsetzen lassen.

Krisenintervention weiterbilden

Kein Praktisch Tätiger wäre heute noch in der Lage, umfassend über Krisenintervention zu schreiben oder gar fortzubilden. Sich in benachbarten Bereichen des eigenen Kriseninterventions-Schwerpunktes weiterzubilden steht auf der Tagesordnung, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden. Dem Thema Weiterbildung ist daher das zweite Kapitel dieses Buches gewidmet. Manuel Rupp macht die Leser mit grundlegenden Weiterbildungsinhalten in Bezug auf Notfall- und Krisenintervention vertraut: wie lässt sich die Entstehung von Krisen und deren Zuspitzung in der Notfallsituation verstehen , und wie lassen sich die vorgefundenen Verhältnisse in einer dramatischen Situation konstruktiv nutzen für eine auf das Wesentliche eingegrenzte Intervention? Thomas Giernalczyk und Hans Doll widmen sich in ihrem Beitrag der Frage, wie Weiterbildung für Kriseneinrichtungen gestaltet werden könnte. Die beiden Autoren stellen die erprobte Konzeption eines Grundlagenseminars vor und diskutieren die Entwicklung eines "Curriculums zertifizierte KrisenhelferIn". Ulrike Scheuermann und Ingeborg Schürmann beschäftigen sich mit dem Managementkonzept Diversity - übersetzt mit Vielfalt. Wie kann in einer Einrichtung die Vielfalt der Mitarbeiter und ihr unterschiedlicher Erfahrungshintergrund für gegenseitige Fortbildung produktiv genutzt werden anstatt sich wechselseitig zu blockieren?

Mit den Nutzern arbeiten

Noch vor wenigen Jahren galt Krisenintervention als exotisches Pflänzchen innerhalb der psychiatrischen Landschaft, für das einige Pioniere unter den Psychiatern, Psychologen und Sozialarbeitern eigene Fleckchen erkämpft hatten: die Kriseninterventionsstationen innerhalb psychiatrischer Abteilungen oder auch ambulante Krisendienste in der Gemeindepsychiatrie. Heute ist Krisenintervention als Thema - und häufig genug bereits als eigenes Tätigkeitsfeld - in nahezu jeder Einrichtung präsent, die mit Menschen arbeitet, seien sie nun krank oder behindert oder ‚einfach nur’ Menschen, die in einer Lebenskrise stecken.

Zwar gehören ambulante Krisendienste in einem ausgebauten gemeindepsychiatrischen System längst zum fachlichen Standard, dennoch konnten sie vielerorts aufgrund von Sparmaßnahmen nicht flächendeckend eingerichtet werden. Zwangsläufig findet Krisenintervention dort statt, wo sie benötigt wird und wo oftmals diejenigen Mitarbeiter gefordert sind, die als erste mit dem betroffenen Menschen sprechen: z.B. eine Nachtwache in einem Heim für chronisch (psychisch) kranke Menschen oder ein Rettungssanitäter im Einsatz. Dieser Entwicklung möchten wir mit dem dritten Kapitel Rechnung tragen, wo wir uns mit besonderen Zielgruppen auseinandersetzen. Wolf Müllers Beitrag verknüpft die Darstellung eines grundlegenden methodischen Zugangs zur Krisenintervention mit deren Einsatz bei der Zielgruppe Familie. Er stellt die Grundprinzipien systemischen Denkens dar und überprüft deren Tauglichkeit für die Krisenintervention bei Paaren, Familien und Einzelnen. Wo haben lösungsorientierte Fragetechniken ihren Platz? Michael Bruns reflektiert die Schnittstelle ambulanter und stationärer Krisenintervention auf dem Hintergrund seiner Erfahrungen in beiden Bereichen. Treffen wir an beiden Orten auf unterschiedliche Klienten, unterscheiden sich deren Krisen und demzufolge auch die Ansätze der dort geleisteten Hilfe? Wie kann die Kooperation zwischen beiden Angeboten aussehen? Ilse Eichenbrenner skizziert die Verbindungen und Übergänge der Krisenintervention, die vom Sozialpsychiatrischen Dienst zum ambulanten Krisendienst bestehen. Hier wie dort wird Krisenintervention betrieben, der jeweilige Auftrag und Rahmen zeigt aber große Unterschiede - die Klienten auch? Damit sind die klassischen Orte der Krisenintervention im gemeindepsychiatrischen Netz abgeschritten. Iris Hölling setzt sich mit der Frage auseinander, was das Hilfesystem den Psychiatriebetroffenen zu bieten hat, wo es mit seiner Gewaltförmigkeit (Stichwort ‚Zwangseinweisung’) Selbsthilfepotentiale untergräbt und was stattdessen hilfreich wäre. Damit formuliert sie Herausforderungen an professionelle Helfer, die deren Berufsethos verändern könnten. Reinhard Peukert vertritt die Perspektive der Angehörigen, die sich häufig von den Krisen ihrer Kinder, Partner, Geschwister oder Eltern überfordert und vom Hilfesystem im Stich gelassen fühlen. Handelt ein Helfer im Auftrag der Angehörigen, um diese zu entlasten, gerät er womöglich in einen Parteilichkeitskonflikt mit den Betroffenen oder der eigenen Einrichtung. Wie sähe die Hilfe aus, die die Angehörigen selbst formulieren und in den Trialog von Angehörigen, Betroffenen und Profis mit einbringen? Sönke Behnsen schreibt über Klienten, die aus vielen Netzen heraus gefallen sind, die ihren "Ort" verloren haben und für die der Ortswechsel das Konstante ist: über Wohnungslose in Krisen. Wie können wir verhindern, dass diese Klienten durch die Maschen des Hilfenetzes zwischen Suchthilfe, sozialpsychiatrischer Hilfe und Wohnungslosenhilfe fallen? Sigrid Meurer schreibt über Kinder und Jugendliche in Krisen, für die es besondere Angebote geben muss, um sie tatsächlich zu erreichen und um ihren Krisen gerecht zu werden. Besonderes Thema ist dabei die Suizidgefährdung. Krisen der Kinder sind zumeist eine Angelegenheit der ganzen Familie. Wann und wie sollten Helfer die Eltern in ihrer Verantwortung mit einbeziehen? Burkhard Brückner nähert sich einer Klientel am anderen Ende der Lebensspanne an: Den alten Menschen, die stärker noch als andere Altersgruppen als suizidgefährdet gelten müssen. Eingebunden in das System der Familien oder der Altenhilfe - oder aus beidem heraus gefallen - stellt sich die Frage, welche Herangehensweisen sich empfehlen, die den Besonderheiten des Alters gerecht werden. Carlos Escalera untersucht die Frage, wie Krisen bei Menschen mit geistiger Behinderung erkannt, verstanden und behandelt werden können. Die Einschränkungen hinsichtlich ihrer Lebensführung bedeuten, dass sie zeitlebens auf Hilfe durch die eigene Familie oder das Hilfssystem angewiesen sind. Woran erkennen wir, wann es sich bei den Krisenzuständen der Geistig Behinderten im Kern um Krisen des Helfersystems handelt? Wie intervenieren wir, um latenter und manifester Gewaltausübung strukturell zu begegnen? Eva Reichelt geht der Frage nach, inwieweit die Krisen von Migranten sich von dem unterscheiden, was wir landläufig unter "Krise" verstehen. Menschen, die nach Deutschland eingewandert oder geflohen sind, stellen ebenso wie jene, die vielleicht schon in zweiter oder dritter Generation hier leben, besondere Anforderungen an unser Selbstverständnis als Helfer. Wie können sprachliche, aber auch kulturspezifische Besonderheiten hinsichtlich Krankheit, Hilfestellung und Erwartungshaltung berücksichtigt werden? Michael Witte identifiziert Männer als eine Risikogruppe für Suizid, die bisher in ihrer Geschlechtsspezifik vom Hilfesystem wenig beachtet wurde und nur schwer zu erreichen ist. Wie lassen sich Männer ansprechen, für die das "Darübersprechen" gerade nicht die gewohnte Form des Umgangs mit ihren Problemen ist?

Bei Gewalt und Trauma helfen

Polizei und Rettungskräfte nehmen Krisendienste gerne in Anspruch, wenn es um die psychische Versorgung von Unfall- und Gewaltopfern mit Traumatisierung und deren Angehörigen geht. Nicht zuletzt im Zeichen wachsender Terrorismusangst treten Behörden und Einrichtungen an Krisendienste heran, um Notfallpläne für sogenannte Großschadensereignisse zu erstellen. Hier werden sich unterschiedliche Kriseneinrichtungen der gesellschaftlichen Erwartung bewusst und übernehmen unter anderem auch dadurch Verantwortung, dass sie ihre Mitarbeiter für Opferbetreuung und Akuthilfe nach Trauma fortbilden. Solche neuen Einsatzoptionen müssen immer von Maßnahmen flankiert werden, die die Belastung der Helfer thematisieren. Im vierten Kapitel führt Gabriele Schmidt in die Krisenintervention nach Traumatisierung ein. Dieser Leitfaden skizziert Risikomerkmale und Ressourcen, die helfen können, die Interventionen bei unterschiedlichen posttraumatischen Reaktionen zu gestalten. Ihr zentrales Augenmerk gilt der Frage, wie die Betroffenen in ihrem erschütterten Sicherheitsgefühl stabilisiert werden können. Reinhold Fartacek und Anton Nindl beschreiben am Beispiel des Seilbahnunglücks im österreichischen Kaprun im November 2000, welche logistischen Vorkehrungen in einem solchen Fall getroffen werden müssen und wie die Krisenintervention für die Hinterbliebenen aussehen kann. Ihr Fokus liegt auf der beobachteten "traumatischen Trauer" und Ansätzen, wie dieser begegnet werden kann. Thema von Manuel Rupps Beitrag ist der Umgang mit Gewalt in psychiatrischen Kontexten. Er klärt über die Entstehungsbedingungen und die Dynamiken von Konflikten bis hin zur Gewaltausübung auf und entwickelt Deeskalationsstrategien, wie die Helfer sich sinnvoll schützen können. Auch Marion Krüsmann befasst sich mit der Hilfe für die Helfer. Ihr geht es um die Prävention im Einsatzwesen, wo Rettungskräfte selbst traumatisiert werden können. Sie beschreibt die verbreiteten Vorgehensweisen der Vor- und der Nachsorge, gibt einen Überblick zu neueren Forschungsergebnissen und zeichnet die Kontroverse zum "Debriefing" nach.

Online beraten

Die Schlagworte der Onlineberatung und des Chattens im Internet sind in vieler Munde. Während die Einen die neuen Möglichkeiten feiern, verfolgen viele Fachkräfte, denen bisher nur der Kontakt von Angesicht zu Angesicht vertraut ist, diese Entwicklung mit Skepsis. Die Darstellung in den Medien trägt oftmals zur Verunsicherung von Ratsuchenden wie Helfern gleichermaßen bei. Daher stellen wir im fünften Kapitel seriöse Beratungsangebote für unterschiedliche Nutzergruppen vor, die sich in Krisen befinden. Wer sich bislang in dieser virtuellen Realität noch gar nicht auskennt, der erhält in Andreas Wimmers Beitrag eine fundierte Einführung in (sichere) Krisenberatung mit E-Mail und Chat. Als Beratungsplattform, an der sich Wohlfahrtsverbände und Einrichtungen der psychosozialen Versorgung beteiligen, hat sich das-beratungsnetz.de etabliert und bietet sowohl technisches know-how als auch Qualifizierungsmaßnahmen für Helfer, die in die Welt digitalisierter Helfer-Klienten-Kontakte einsteigen wollen. Petra Risau zeigt die Chancen und Grenzen der Beratung einer Zielgruppe, die sich über das Internet gut erreichen lässt: Gerade bei Krisen durch sexualisierte Gewalt kann die Anonymität des Chats helfen, die Hemmschwelle des Darübersprechens zu senken. Wie sehen die Erfahrungen der Beratungsstelle Wildwasser - Berlin bei das-beratungsnetz.de aus? Gerd Storchmann beschreibt den Aufbau einer Online-Chatberatung für suizidgefährdete junge Menschen bei der Beratungsstelle für suizidgefährdete Kinder und Jugendliche neuhland in Berlin. Er thematisiert die anfänglichen Bedenken der Mitarbeiter und stellt die Auswertung der erfolgten Chatkontakte vor. Die netzeigene Sprache und die dort üblichen Umgangsformen sowie die Reflektionen des Beraters werden anhand eines Fallbeispiels illustriert.

Um den Leserinnen und Lesern die Orientierung innerhalb des Buchs und seiner Beiträge zu erleichtern, durchzieht alle Beiträge ein gemeinsamer formaler und inhaltlicher Aufbau, soweit es das jeweilige Thema zulässt. Nach dem persönlichen beruflichen Zugang unserer Autorinnen und Autoren zu ihrem Beitragsthema führen diese in die Hintergründe der Problematiken ein. Erst dann führen die Autoren ihre Thesen und Schwerpunkte aus, um diese anhand von Praxisbeispielen dem Leser anschaulich nahe zu bringen und enden mit einem Ausblick. Unserem Wunsch folgend haben die Autorinnen und Autoren ihre Literaturverweise aufs Nötigste reduziert, um so die wirklichen Lese-Empfehlungen herauszufiltern.

Zurecht finden

Der Serviceteil trägt wichtige Adressen von Kriseneinrichtungen aus Deutschland und soweit es uns möglich war, auch aus der Schweiz und Österreich zusammen. Zu guter Letzt stellen wir Herausgeber und AutorInnen uns bei den Leserinnen und Lesern vor.

In diesem letzten Satz stehen drei Umgangsvarianten der Ansprache des männlichen und weiblichen Geschlechts nebeneinander. Da es unseres Erachtens derzeit keine sprachlich überzeugende geschlechtergerechte Lösung gibt, haben wir es den Autor……. überlassen, ihre eigene Anspracheform zu wählen. Allen gemeinsam ist die Absicht auch das jeweils andere Geschlecht mit einzubeziehen.

Ein Merkmal der Krise ist ihr Prozess, nicht das Verharren sondern die Bewegung. Gelingt diese Bewegung, so ist der erreichte Zielpunkt ein anderer als der Ausgangspunkt. Das gilt auch für die Krisenintervention.

Wolf Müller, Ulrike Scheuermann im Sommer 2004

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